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Stabilität, Ballast, Segeltrimm

  1. Krängungsstabilität
    1.1 Segelfläche und Verdrängung
    1.2 Winddruck und Krängungswinkel

  2. Kursstabilität, Trimmung
    2.1 Segelschwerpunkt
    2.2 Lateralschwerpunkt
    2.3 Beziehung zwischen Segel- u. Lateralschwerpunkt
    2.4 Verteilung des Ballastes

 

 

Die obigen Faktoren beeinflussen in entscheidender Weise die Segeleigenschaften. Sie sind deshalb beliebter Gegenstand oft sogar kontroverser Diskussionen. Weit verbreitet ist zum Beispiel die Ansicht, dass Segelmodelle ohne Zusatzkiel und Aussenballast oder vergrösserte Ruderfläche niemals genügend stabil noch steuerbar sein könnten. So werden manche sonst hervorragend gebaute Modellschiffe durch derartige unpassende Anhängsel verunstaltet, die - selbst wenn sie auf dem Wasser kaum sichtbar sind und für Ausstellungszwecke demontiert werden können - zumindest den ideellen Wert eines Modells als technisch voll gelungenene Rekonstruktion mindern. Dabei beweisen bereits viele massstäbliche Modelle aller möglichen Schiffstypen, dass vorbildgetreues Segeln - ausser bei gewissen extremen Konstruktionen - auch ohne solche plumpe Massnahmen problemlos möglich ist. Allerdings erfordert dies bei der Konstruktion die Berücksichtigung einiger grundlegender Tatsachen, ohne deren Kenntnis ein Modellbauer tatsächlich Gefahr läuft, sein Schiff unsteuerbar driften oder gar in einer Böe kentern sehen zu müssen. Die nachfolgenden Abschnitte sollen nun zeigen, wie sich solche Enttäuschungen durch einige einfache theoretische Ueberlegungen zuverlässig vermeiden lassen.

 

 

1. Krängungsstabilität

 

Die Krängungsstabilität ist einer der kritischsten Punkte, weshalb sie hier etwas eingehender behandelt werden soll:

Die alten Segelschiffe besassen meist gewaltige Segelflächen, welche sie nur dank ihrer relativ grossen Verdrängung zu tragen vermochten. Beim Bau eines Modelles nun spitzen sich die Verhältnisse noch zu, nimmt doch die Segelfläche nur mit dem Quadrat, die Verdrängung jedoch mit der dritten Potenz des Verkleinerungsfaktors ab (so ist z.B. im Massstab 1:10 die Segelfläche zehn mal grösser zur Verdrängung als im Original)! Häufig tragen zudem verhältnismässig schlanke Rümpfe, ein kurzer Hebelarm des Ballastgewichtes sowie - im Vergleich zu den heute üblichen Riggs - schwere Takelagen weiter zur Verminderung der Stabilität bei. Wenn man von nicht vorbildgetreuen Massnahmen zur Verbesserung der Stabilität (Anbringen einer Kielflosse mit zusätzlichem Gewicht, Vergrössern der Verdrängung durch Abänderung des Unterwasserschiffs, Reduktion der Segelfläche) absieht, bleibt nur das Tieferlegen des Gesamtschwerpunktes durch "innere" Vorkehrungen. Nebst konstruktiver Bestrebungen (Wahl leichter Materialien für alle Teile oberhalb der Wasserlinie, Tieflagerung von Stromquellen und Steuerelementen) dient dazu in erster Linie ein möglichst hoher Anteil des Innenballasts am Gesamtgewicht (mindestens 60%). Dies erfordert allerdings ein sehr geringes Leergewicht des Rumpfes. Da den Möglichkeiten des Leichtbaus aber Grenzen gesetzt sind und bei Vergrösserung des Massstabs Rumpfgewicht und Segelfläche weniger rasch zunehmen als die Verdrängung (und damit die Ballastzuladefähigkeit), sollte ein Modell nicht zu klein konzipiert werden.

 

 

1.1 Segelfläche und Verdrängung

Unabdingbare Voraussetzung für konkrete Berechnungen ist die Kenntnis von Segelfläche und Verdrängung. Während die Berechnung der Segelfläche nach der bekannten Dreiecksformel (s. Formel 1 u. Abb. 4) leicht fällt (viereckige Segel werden dazu in zwei Dreiecke zerlegt), ist die Bestimmung der Verdrängung eines geplanten Modells etwas aufwendiger, es sei denn, die Verdrängung (nicht Raumtonnage!) des Originals wäre bekannt. In diesem glücklichen Fall genügt es, diesen Wert durch den Kubikwert des Modellmassstabs zu teilen, um direkt die Verdrängung des Modells zu erhalten (s. Formel 2). Sonst erlaubt die Anwendung eines Blockkoeffizienten, welcher ausdrückt, um wieviel geringer das tatsächlich verdrängte Volumen ist als ein aus Wasserlinienlänge, Breite und Tiefgang (ohne Kiel) gebildeter imaginärer Quader (s. Formel 3), eine rasche Schätzung. Dieser Blockkoeffizient gibt den Völligkeitsgrad eines Schiffes an. Bei einem schweren Lastkahn beträgt er vielleicht bis 0.8, während ein schnittiger Teeklipper nur einen solchen von 0.41 aufweisen kann; für die meisten Modelle dürfte die Annahme eines mittleren Wertes um 0.55 angebracht sein. Die verlässlichste Annäherung liefert schliesslich die etwas aufwendigere Methode nach Formel 4, bei welcher die unter der Wasserlinie gelegenen Anteile der Spantflächen bestimmt werden müssen. Dies geschieht am einfachsten durch Auszählen von Quadraten, nachdem ein Zentimeterraster über den Plan gelegt oder der Spantenriss verkleinert auf Millimeterpapier kopiert worden ist. Dann werden die Spantflächen addiert. Indem man die Gesamtfläche nun durch die Anzahl Spanten dividiert, erhält man die mittlere Spantfläche. Diese wird schliesslich mit der Wasserlinienlänge multipliziert, woraus ziemlich genau das Volumen des Unterwasserschiffs resultiert.

Sind Segelfläche und Verdrängung nun bekannt, kann die spezifische Segelfläche ermittelt werden (Formel 5). Die Erfahrung hat gezeigt, dass Modelle mit einer spezifischen Segelfläche von maximal 5 bis 7dm2 Segelfläche/dm3 Verdrängung im allgemeinen genügend Stabilität und Durchstehvermögen aufweisen, vorausgesetzt, sie verfügen über einen hohen Ballastanteil. Mittels Formel 6 lässt sich leicht errechnen, bei welchem Modellmassstab dieses Grössenverhältnis erreicht wird (dabei können die Daten sowohl in den Originaldimensionen als auch direkt im Planmassstab eingesetzt werden). So würde die gewünschte spezifische Segelfläche von 5dm2/dm3 zum Beispiel für den Schoner SCOTTISH MAID, Segelfläche Original 44700dm2, Verdrängung 285600dm3, beim Massstab 0.0333 oder 1:30 erreicht.

 

 

1.2 Winddruck und Krängungswinkel

Die Formel 7 schliesslich erlaubt angenäherte Rückschlüsse auf die Beziehung zwischen Winddruck und Krängungswinkel. Obschon sie stark vereinfacht ist (das Metazentrum ist fix auf Höhe der Schwimmebene angenommen, und der Auftriebsschwerpunkt sowie das Schiffsleergewicht bleiben unberücksichtigt), genügt sie für Modellbedingungen vollauf; ein allfälliger Fehler würde höchstens eine etwas unter den wirklichen Verhältnissen liegende Stabilität annehmen lassen. Die für die Anwendung der Formel benötigte Tiefe des Ballastschwerpunktes unter der Konstruktionswasserlinie muss geschätzt werden, während die Höhe des Segelschwerpunktes graphisch ermittelt wird (s. 2.1). Ein Modell, für welches bei 30 Grad Krängung ein Winddruck von 2.5kp/m2 oder mehr gilt (etwa einer Windstärke von 3 bis 4 Beaufort entsprechend), dürfte den üblichen praktischen Anforderungen genügen (zum Vergleich: Bei einem M-Boot liegt der Wert um 2.8kp/m2).

 

 

 

2. Kursstabilität, Trimmung

 

Segeln ist immer das Ergebnis des ausgewogenen Zusammenwirkens aller an den Segeln angreifenden Windkräfte mit dem Widerstand des Rumpfes im Wasser. Dabei handelt es sich nicht um ein stabiles, sondern um ein dynamisches Gleichgewicht, da sich die verschiedenen Grössen mit wechselnden Fahrzuständen dauernd ändern. Von den vielen Faktoren, welche daran beteiligt sind, können hier nicht alle im einzelnen besprochen werden; das wesentliche Geheimnis guter Segeleigenschaften liegt jedoch in der gegenseitigen Abstimmung von Rigg und Rumpf, einem ausgewogenen Segel- und Linienriss. Zentrale Bedeutung kommt dabei dem Lageverhhältnis von Segelschwerpunkt und Lateralschwerpunkt zu. Stimmt dieses nicht, wird das Schiff nie richtig segeln! Aus diesem Grunde sollte man jede Unterlagen sorgfältig prüfen, selbst wenn das Modell nach einem sogenannten Originalplan gebaut wird; allzu oft nämlich stammen Linien- und Segelriss nicht aus derselben Quelle oder sind nicht ganz fachgerecht rekonstruiert.

 

2.1 Segelschwerpunkt

Unter Segelschwerpunkt versteht man den gedachten Punkt, in welchem die Summe der an den Segeln auftretenden Windkräfte angreift (engl. = centre of effort, CE). Der Schwerpunkt einer Dreiecksfläche liegt im Schnittpunkt der sogenannten Seitenhalbierenden (Geraden von der Mitte der Dreiecksseiten nach dem gegenüberliegenden Winkel). Zum Festlegen des Schwerpunktes genügen 2 Seitenhalbierende (Abb. 1). Auf diese einfache Weise lassen sich zum Beispiel die Schwerpunkte eines Vor- und Hauptsegels finden. Ihr gemeinsamer Schwerpunkt muss nun irgendwo auf der Verbindungslinie dieser Punkte liegen (Abb. 2). Um seine genaue Lage zu ermitteln, werden - ausgehend von den einzelnen Schwerpunkten - zwei entgegengesetzt gerichtete Senkrechte zur Verbindungsachse gezogen (Abb. 3). Auf diesen Linien müssen jetzt Strecken (a, b) proportional zur Fläche (A, B) des gegenüberliegenden Segels abgetragen werden (z.B. 35dm2:35cm, 19dm2:19cm). Dort, wo die durch die so gefundenen Punkte c und d gezogene Gerade die Verbindungslinie zwischen den Einzelschwerpunkten schneidet, liegt der Gesamtschwerpunkt CE dieses einfachen Riggs (Abb. 6). Bei mehreren Segeln werden die gemeinsamen Schwerpunkte je zweier Segel schrittweise mit den weiteren Schwerpunkten verbunden (dabei ist darauf zu achten, dass die zusammengezogenen Flächen jeweils addiert werden!). Viereckige Segel, wie zum Beispiel bei Gaffeltakelung oder Rahsegeln, unterteilt man am besten in 2 Dreiecke. In vereinzelten Fällen (z.B. bei Galeonen des 16. Jh. mit ihren hohen Heckaufbauten) müssen sogar stark asymmetrische Flächen der Rumpfsilhouette, welche dem Wind ebenfalls erheblichen Widerstand entgegensetzen, in diese Berechnungen einbezogen werden.

 

2.2 Lateralschwerpunkt

Aehnlich dem Segelschwerpunkt bedeutet der Lateralschwerpunkt den gedachten Angriffspunkt des seitlichen Abdriftwiderstandes des Unterwasserschiffs (eng. = centre of lateral resistance CLR). Bei einfachen Formen des Unterwasserschiffs lässt sich dieser auch mit Hilfe der oben beschriebenen Methode ermitteln, wobei der Lateralplan in formlich angenäherte Dreiecke zerlegt wird (Abb. 7). Bei komplizierteren Formen empfiehlt es sich, eine massstäbliche Schablone des Lateralplans aus Pappe zu schneiden und durch Balancieren auf einer senkrecht zur Konstruktionswasserlinie gehaltenen Messerklinge die Linie zu finden, auf welcher der Lateralschwerpunkt CLR liegen muss (Abb. 8). Gewöhnlich wird die Ruderfläche nicht zum Lateralplan gezählt.

 

2.3 Beziehung zwischen Segel- und Lateralschwerpunkt

Wie schon erwähnt, liegt das Geheimnis eines ausgeglichenen Schiffes in der ausgewogenen Beziehung des Segelschwerpunktes zum Lateralschwerpunkt. Theoretisch sollte CE genau über CLR liegen, da ein CE hinter CLR zu Luvgierigkeit, ein CE vor CLR dagegen zu Leegierigkeit führen müsste. Nun gibt es aber eine Reihe von Faktoren, welche eine Luvtendenz zur Folge haben: Zum Beispiel luvt ein Boot in Böen automatisch an, weil sich die Richtung des scheinbaren Windes ändert (Abb. 9 u. 10). Zudem wandert  der Segelschwerpunkt mit zunehmender Krängung aus der Mittschiffsebene heraus, wodurch sich aus der nach vorn wirkenden Komponente der Windkraft und dem nach rückwärts gerichteten Fahrtwiderstand ein Drehmoment nach Luv ergibt (Abb. 11 u. 12). Auch das vermehrte Eintauchen des Vorderschiffs bei starker Vortriebskraft der Segel erzeugt durch Veränderung des Lateralplans und damit des seitlichen Abdriftwiderstandes Luvgierigkeit (Abb. 15). Selbst die Form der Spanten kann einen Einfluss haben, indem sich bei vielen Konstruktionen durch Krängung die Verteilung des eingetauchten Rumpfvolumens im Vergleich zur ebenen Schwimmlage verändert. Meist nimmt dabei der Auftrieb des Heckteils gegenüber demjenigen des Vorschiffs zu (Abb. 13), was ebenfalls einen geringeren achterlichen Tiefgang und damit eine Abnahme des Lateralwiederstandes hinten mit entsprechender Luvgierigkeit zur Folge hat. Einzig Boote mit sogenannter metazentroider Rumpfform weisen diesen letzten Effekt nicht auf (Abb. 14).

Um all diesen Luvtendenzen entgegenzuwirken und dadurch eine optimale Kursstabilität zu gewährleisten, liegt bei einer ausgetrimmten Konstruktion CE in der Regel um 4 bis 12% der Wasserlinienlänge vor CLR. Das genaue Mass lässt sich leider nicht berechnen und ist auch heute noch Ergebnis von Erfahrung und Gefühl eines guten Konstrukteurs. Immerhin lässt sich sagen, dass die Distanz zwischen den Loten von CE und CLR umso grösser sein muss, je höher die spezifische Segelfläche oder der Völligkeitsgrad des Rumpfes ist. Bei kleinen, besonders breiten Booten erreicht diese Differenz gelegentlich extreme Werte von bis zu 20%! Die Angleichungen erfolgen durch ein Verschieben des Mastes, Veränderungen der Flächen einzelner Segel, Modifikationen am Unterwasserschiff (Kielflosse, Schwert) oder Verschiebungen des Ballastes (s. u.). Dabei sollte dem Boot eine leichte Neigung zum Anluven belassen werden, da es sich sonst bei stärkerem Wind nicht mehr wenden oder in den Wind drehen lässt, was auch einem Modellschiff einmal zum Verhängnis werden könnte.

Ein derart ausgetrimmtes Modell benötigt weder eine Vergrösserung des Ruders noch des Lateralplans, da sich durch die massstäbliche Verkleinerung die Grössenverhältnisse von Segel- und Unterwasserflächen ja nicht verändern. Natürlich werden manche Schiffe ebenso die Trägheit ihrer grossen Vorbilder erben, und sich einzelne Typen ohne gleichzeitig korrekte Bedienung der Segel nicht wenden lassen, so wie auch Modelle gewisser älterer Segler deren vergleichsweise grössere Abdrift teilen. Dennoch wäre es völlig unsinnig, jedem Modell die nervöse Wendigkeit einer modernen Rennjacht aufzwingen zu wollen, wo doch gerade diese untrennbaren Eigenschaften das jedem Schiffstyp eigene Fahrbild prägen sowie - indem sie wesentlich mehr Segelkenntnisse erfordern - das Segeln interessanter gestalten und dadurch das Fahrerlebnis bereichern.

 

 

2.4 Verteilung des Ballastes

Der Ballast beeinflusst nicht in mannigfacher Weise die Schwimmlage und das Fahrverhalten eines Modells. Ein tief gelegter Ballastschwerpunkt vermindert die Krängung und damit alle dadurch bedingten Kursabweichungen. Die Anordnung des Ballasts in der Längsachse dagegen bestimmt ganz wesentlich die Längsstabilität. Ist er zum Beispiel über die ganze Schiffslänge verteilt, wird sich das Modell als sehr kursstabil erweisen und weniger unnatürlich auf den Wellen tanzen. Es wird aber auch auf Ruderbefehle träger reagieren und einen grösseren Wendekreis beanspruchen. Bei eng um den Auftriebsschwerpunkt konzentriertem Ballast dagegen verhält sich ein Schiff lebendiger auf dem Wasser und gehorcht dem Ruder rasch, wird aber leichter durch Wind und Wellen vom Kurs abgetrieben. Im Einzelfall gilt es hier, einen dem Vorbild des Modells angepassten Kompromiss zu finden, wobei zum Beispiel für ein grösseres Schiff eher die erste, für den Nachbau einer modernen Jacht dagegen die zweite Variante anzustreben wäre.

Auch eine Verlagerung des Schwerpunktes in Längsrichtung beeinflusst die Kursstabilität durch eine Veränderung des Lateralwiderstandes. So verstärkt zu Beispiel eine Gewichtsverschiebung nach achtern die Tendenz abzufallen, während eine Verlagerung nach vorn vermehrte Luvgierigkeit zur Folge hat (Abb. 15). Im allgemeinen ist eine geringe Hecklastigkeit anzustreben, da - wie bereits oben erwähnt - bei einem Segler in Fahrt durch die in der Takelage angreifende, nach vorn gerichtete Windkraft der Bug ohnehin vermehrt ins Wasser gedrückt wird.

 

 

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Franz Amonn, rev. 2002

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